7 – Hati-Hati

Balinesisch für ‚Achtung‘ – das hörten wir heute des Öfteren.
Der Grund? Unsere Tour ins balinesische Hochgebirge. Heute würde ich mich also einem weiteren Übel stellen: Bergwandern – eine Tätigkeit, die ich ungefähr genau so gerne mag wie Wasser oder Kopfbedeckungen. Eigentlich fehlt jetzt nur noch ein Fallschirmsprung, ein Flug im Hubschrauber oder Heißluftballon oder das Angebot, als Stewardess zu arbeiten, dann hätte ich mich eigentlich meinen schlimmsten Alpträumen gestellt.

Nachts um 24 Uhr wurden wir abgeholt, um rechtzeitig im Osten der Insel zu sein, von wo aus um drei Uhr unsere Tour auf den Vulkan Batur starten würde. Unser Hotel und der Vulkan sind zwar nur 33 Kilometer voneinander entfernt, aber das Auf- und Ab der Umgebung, die Straßen und überhaupt alles verhindern, dass man wirklich schnell fahren kann. Manchmal sind’s auch einfache Verkehrsstaus, die das motorisierte Fortbewegen zeitraubend machen. Also eben Abholung um 24 Uhr und irgendwie wachbleiben. Das war recht uncharmant, so dass wir uns den Abend noch mit einer Extralangen Skip-Bo-Meisterschaft vertrieben (und so herausfanden, dass Mischen der Spielkarten tatsächlich äußerst wichtig ist) und dann halt irgendwie vor uns hindümpelnden, bis es Zeit zum Aufbruch war.
Sophia fand nebenbei noch heraus, dass ihre Schuhe durch den starken Regenguss am Vormittag vollkommen durchnässt waren, deren Einsatz bei der Vulkanbesteigung demnach gefährdet. Dazu aber gleich mehr.

Es wurde also 24 Uhr, unser Guide kam, wir packten all unser Geraffel ins Auto, und los ging’s. Es hat was, des nächtens durch den Regenwald zu fahren. Auch wenn es fürchterlich kalt ist (ja, wer hätte das gedacht: Ab nachmittags ist man eigentlich gut beraten, lange Hose und Sweatshirt zu tragen.) Zwischendurch nickten wir ein, aber Schlaf konnte man das nicht nennen. Schließlich waren wir viel zu früh da und mussten noch eine Dreiviertelstunde im Auto warten, bis wir die Tour starten konnten.

Die Basics morgens um drei: Kaffee und Schokowaffeln.

Als es dann losging, kamen wir in den ersten Stau. Morgens um drei. Im balinesischen Nirgendwo. Es fühlte sich, als ob der größte Teil der auf Bali Urlaubenden sich genau diesen Tag ausgesucht hatten, um den Berg zu erklimmen (später wurde uns gesagt, dass das jeden Tag so voll ist).
Ausgerüstet wurden wir mit Taschenlampe und einer Flasche Wasser und dann ging’s auch schon los – zusammen mit all den anderen. Man muss sich das als eine Art Völkerwanderung vorstellen.
Sophia hatte ja ihr oben beschriebenes Schuhproblem zu beklagen, so dass sie vor der Wahl stand, entweder in Flip-Flops auf den Berg zu gehen oder meine, ihr zu kleinen Schuhe anzuziehen. Die Wahl fiel auf….lasst Euch überraschen.
Jedenfalls liefen und liefen wir. Erst recht eben durch Gemüseplantagen (das mussten wir glauben, denn wir sahen ja nichts), und dann wurde es so langsam steiler. Die Jugend sprang voran, ich in gemächlicherem, dem Alter entsprechenden Tempo hinterher. Irgendwann verließen wir den asphaltierten Weg und dann wurde es wirklich anstrengend. Der Weg nach oben ist nicht befestigt, so dass man über Steine, Geröll und Sonstiges stapft und klettert. Unterstützt nur von der Taschenlampe, da man sonst gar nicht sieht, wohin man tritt. Zugegebenermaßen war hier die Masse an Menschen ein echter Vorteil: Man lief wie an einer Perlenkette aneinandergereiht den Weg hoch, so dass es immer mal wieder stockte und man zwischendurch ein wenig Luft holen und sich ausruhen konnte.
Jedenfalls keuchte und röchelte sich die Menge nach oben (manche rannten), unterbrochen von den ständigen Ausrufen der Guides ‚Hati-Hati!‘ Zwischendurch bekam ich eine Sinnkrise und  fragte ich mich, ob ein Sonnenaufgang auf einem Vulkan es wirklich wert war, zu nachtschlafender Zeit durchs balinesische Hinterland zu japsen.
Nun war ich ja halt aber auch mittendrin und umkehren ging gar nicht, weil mir dann ja alle entgegengekommen wären. Und, ganz ehrlich, in der Dunkelheit, nur im Licht der Taschenlampe den Weg zurückzugehen, wäre wahrscheinlich unangenehmer gewesen, als jetzt einfach stur weiter am nur zu erahnenden Abgrund entlangzukraxeln.
Gut, nach zwei Stunden waren wir oben. Ich konnte es kaum glauben (meine Beine auch nicht. Sie zitterten einfach weiter). Zusammen mit den ganzen anderen Sonnenaufgangsanbetenden wurden uns Plätze zugewiesen, von denen aus wir günstig beobachten konnten, Frühstück wurde gereicht: für jeden je ein Ei, eine Banane und trockenes Toastbrot. Und es wurde wieder einmal irgendwelches Zeugs angeboten, das man kaufen sollte.
Als es dann endlich soweit war und die Sonne das tat, was sie immer tut (aufgehen), war das schon ein sehr schöner Anblick.
Prompt starteten überall Drohnen und summten durch die Gegend, die Instagrammer:innen und TikTok:innern warfen sich in seltsame Posen (ich bezweifle, dass sie überhaupt irgendwas vom Sonnenaufgang mitbekamen). Na ja, wir ruhten uns noch ein wenig aus, um dann nach ca. einer halben, dreiviertel Stunde die Rückkehr anzutreten.
Für den Rückweg übrigens entschied sich Sophia dafür, in meinen (zu kleinen!) Schuhen zu laufen. Die Flip-Flops, in denen sie den Berg erklomm (ja, sie hat es tatsächlich getan! Nicht nur unser Guide war ziemlich beeindruckt) boten doch nicht genügend Halt, um die Gesteinsstrecke bergabwärts einigermaßen sicher hinunterzugehen. Uns kamen, es muss so gegen sechs Uhr gewesen sein, Nachzügler entgegen, die ich noch weniger beneidete als uns. Zwar konnten sie sehen, wohin sie traten, allerdings wurde es jetzt auch schon wärmer. Ich fand es schon unangenehm, bei der Wärme hinunterzustolpern. Sich nach oben zu kämpfen? Auf keinen Fall!

Wir kamen also sicher, wohlbehalten und mit allen Körperfunktionen intakt unten wieder an. Auch Sophia und ihre Flip-Flops. Ich war mir sicher, mich am heutigen Tag keinen Meter mehr bewegen zu wollen (jedenfalls zu Fuß).
Ziemlich fertig, müde und hungrig ging es für uns nun weiter in unser neues Hotel in Lovina im Norden der Insel. Neben der Möglichkeit, hier schlafen zu können,  freuten wir uns vor allem auf die Wärme. Denn, wie oben gesagt, im Regenwald war es trotz aller Schönheit frisch.
Dem nach zu urteilen, was wir heute sehr müde und halb schlafend von Lovina gesehen haben, ist es sehr viel kleiner und unaufgeregter als Sanur, Ort unseres ersten Aufenthalts oder Ubud, der als Stadt verkleideten Verkehrs- und Menschenchaos.
Den Rest des heutigen Tages jedenfalls verbrachten wir mit Schlafen und Lesen am Pool. Morgen werden wir uns nach dem Strand und seinem Befinden erkundigen.

Oben angekommen!
Diese Aussicht bestaunend:
Unter und über uns wurde es noch voller
Es geht los
und weiter....
weiter geht's....
fast geschafft
Das isse!
Wir (im Vordergrund), Gurung Agung (im Hintergrund)
Freudig beim Abstieg
In Pose
Der Vulkan dampft