16 Apr. Tag 16
Grmpf. Der Tag begann mit einer Enttäuschung. Nachdem ich nämlich festgestellt habe, dass ich nicht ganz so gut geplant hatte und die Häuser in meiner näheren Umgebung entweder nur am Wochenende geöffnet sind oder erst ab Mai, hatte ich endlich eines gefunden, das mit über einer Stunde Fahrt doch recht weit entfernt war. Aber gut…. also ins Auto gesetzt und losgefahren. Dieses Mal ohne Ozeanen auf den Straßen und nur mit den normalen Gräben.
Eigentlich wollte ich Euch Englefield House vorstellen, ein Anwesen das seit fünfhundert Jahren im Besitz der Englefields ist. Hübsch, groß und vielversprechend.
Als ich dort in dem winzigen Dörfchen ankam und parken wollte, wurde ich erst einmal von einer übereifrigen Frau angeblafft, weil ich vermeindlich verkehrtherum (also in die Ausfahrt) auf einen Parkplatz fahren wollte. Wollte ich aber gar nicht, sondern nur wenden, da ich die Einfahrt verpasst hatte. Fast fühlte ich mich bemüßigt zu fragen, ob sie eventuell deutsches Blut in ihren Adern hätte. Besserwisserei ist ja sonst das Metier, in dem wir uns zu Hause fühlen 😇.
In fröhlicher Vorfreude machte ich mich also auf zum Anwesen, nur um vor vielen Schildern zu stehen, die mir eindrücklich bedeuteten ‚Bis hierhin und nicht weiter!‘. Stellte sich heraus, dass das Haus und der Garten für Publikum gesperrt war, weil dort ein Film gedreht wurde. Stand nicht auf der Homepage und nicht einmal, für welchen Film ich dieses Opfer bringen mußte, konnte mir jemand sagen. Solchermaßen ein wenig geknickt, musste umgeplant werden. Da ich nun eh schon weiter nördlich war, konnte ich auch gleich hier bleiben und machte mich also nach Basildon Park auf, wo auch Teile von Downton Abbey gedreht wurden.
Wie alle Häuser, die ich bis jetzt besucht habe (einschließlich der Kathedralen), hat auch dieses eine abwechslungsreiche Geschichte:
Ende des 18. Jahrhunderts erbaut, wechselte das Haus mehrere Male die Besitzer (einer davon wollte das Haus nach Amerika verkaufen. Es wurden dann nur bemalte Stuckelemente, die fürderhin den Basildon Room im Waldorf Astoria in New York zierten), diente in den beiden Weltkriegen erst als Sanatorium für Kriegsverserte und dann der Unterbringung deutscher Kriegsgefangenen. Das half weder dem Inneren noch dem Äußeren des Gebäudes, das danach mehr oder weniger vergessen vor sich hindümpelte. Ein Hausmeister bemächtigte sich dann auch noch der Bleiverkleidung des Daches, wodurch Feuchtigkeit eindrang. Das war aber schon wieder fast gut, als nämlich ein Feuer ausbrach und das Haus wegen der ganzen Feuchtigkeit gar nicht richtig brannte.
1952 kamen dann endlich die Illiffes und kauften das völlig entleerte Anwesen, das außer Mauern quasi nichts mehr beherbergte. Keine Kamine, wenig Türen, nichts mehr. Allerdings hatten Lord und Lady Glück, denn zu dieser Zeit wurden viele Herrenhäuser aufgegeben, weil sich die Eigentümer die Instandhaltung nicht mehr leisten konnten oder die Erbschaftssteuern zu exorbitant waren, so dass Inneneinrichtungen relativ günstig zu haben waren. So kauften die Illiffes zusammen, was sie fanden. Praktischerweise stand ein Haus zum Verkauf, das vom selben Architekten entworfen wurde wie Basildon Park. Also rückte man mit zwei Umzugswagen an und packte ein, was reinpasste (Türen, Kamine, Zeugs und anderes Zeugs). Die Kosten? GBP 100, ‚damit wir mit den Kindern Urlaub in Butlins machen können‘, so die Verkäufer. (Butlins sind Ferien- und Freizeitparks, die zu der Zeit sehr beliebt waren.)
Und wie gut diese 100 Pfund angelegt waren, zeigt das heutige Haus. Geschmackvoll, zurückhaltende und doch inspirierende Farben. Es strahlt Ruhe und Stil aus, macht aber überhaupt keinen klinischen Eindruck. Was vielleicht auch dran liegt, dass tatsächlich bis in die 90er Jahre, wenn ich das recht erinnere, noch Menschen darin lebten und die Einrichtung mehr oder weniger so belassen wurde.
Mein Ausflug hat sich wirklich gelohnt, wenn auch ich vorhin sehr froh war, wieder nach Hause zu finden, da mein Navi mittlerweile spinnt. Gestern führte es mich aus irgendeinem Grund zu einem 10 km entfernten Pub, statt nach Hause.
🥳 Fun facts (schon wieder zwei!):
* Eine der Toiletten (die anderen sahen auch so aus) in Basildon Park. Lady Illiffe fand sie zu modern.
* War man zu der vorvor- und vorletzten Krönung eingeladen (Georg VI und Elizabeth II), musste man für seinen Stuhl bezahlen, durfte ihn dann aber auch mit nach Hause nehmen. So kamen diese vier Stühle in den Besitz der Illiffs:



