10 Apr. Tag zehn
Heute ging es nach Arundel Castle. Putziger Name, oder? Sitz des Duke of Norfolk, der höchstrangige Duke, den man hier in Großbritannien finden kann. Gleichzeitig Earl Marshall of England, der sich als königlicher Eventorganiser um so Sachen wie royale Krönungen, Beerdigungen und solche offiziellen Dinge kümmert.
Ich habe versucht, die Geschichte dieser Familie zu verstehen, bin aber kläglich gescheitert.
Sicher ist jedenfalls, dass es ein großes Hin und Her gab. Entweder war kein Erbe da, so dass anderswo gesucht werden musste, dann wurde untereinander geheiratet und der Name verändert und der ein oder andere Titel hinzugefügt, dann einige Titel an Söhne wieder abgegeben, zwischendurch wurden auch ein paar der Dukes geköpft, so dass alles erstmal wieder an den jeweiligen König zurückfiel, der dann nach eigenem Gutdünken entschied, ob der Titel bzw. das Vermögen wieder zurückgegeben werden kann. Ein veritables Tohuwabohu! Ich sitze hier gerade mit einem Informationsheft und verstehe es immer noch nicht.
Gesichert ist, dass die Norfolks mit Anne Boleyn zu tun haben, da ihr Vater eine jüngere Schwester des damaligen 3. Duke of Norfolk heiratete. Eine Tatsache, die die Norfolks am Hof an die gesellschaftliche Spitze spülte.
Thomas Howard spielte seine Karten so geschickt aus, dass nicht einmal das vermeintliche Vergehen seiner Nichte (also Anne) ihm etwas anhaben konnte und er, oh Wunder, seinen Kopf behalten durfte.
Eine seiner anderen Nichten, Catherine Howard, wurde dann Henrys Ehefrau Nr. 5. Deren Kopf blieb auch nicht lange an seinem Platz, doch auch das überlebte er noch.
Was ihm dann zum Verhängnis wurde, war sein ältester Sohn, ein Dichter, dessen Werke als Kritik an Henry VIII interpretiert werden konnten, wenn man das denn wollte.
Dieser älteste Sohn, Henry Howard, Earl of Surrey (seht Ihr, da ist so ein Titel, der aus dem Nichts auftaucht und aus irgendwelchen Gründen auf die Söhne übertragen wird), jedenfalls wurde wegen Hochverrats verhaftet, und er, Thomas Howard, ein paar Tage später gleich mit. Während sein Sohn schnell verurteilt und geköpft wurde, hatte der 3. Duke of Norfolk Glück: Henry VIII starb, bevor sein Todesurteil vollstreckt werden konnte.
Es dauerte dann noch ein wenig (sieben Jahre), bis Mary an die Macht kam, und ihn aus dem Tower entließ. Sie gab ihm seine Titel und Ländereien zurück, aber davon hatte er dann auch nicht mehr viel, da er -doofes Timing – ein paar Monate später starb.
Ab da ging’s halt so weiter, bis zum heutigen 18. Duke. Und damit belasse ich es auch. Es gibt ein ganzes Buch nur über die wechselvolle Geschichte dieser Familie. Bei Bedarf nenne ich gerne den Titel und Autor.
Jetzt aber zum eigentlichen: das Schloß. Auch hier ist wieder alles superprofessionell gemanagt. Man merkt, dass dieses Anwesen Machtsymbol ist. Es geht um Repräsentation. Nicht mehr und nicht weniger. So toll das ganze aussieht, so klinisch und glattgebügelt ist es. Es gibt kaum Informationen zu der Geschichte der Bewohner oder des Anwesens. Die Porträts der Dukes, die Memorabilien, die die Verbindung zum britischen Königshaus unterstreichen und demonstrieren, die schiere Größe des verwinkelten Schlosses müssen genügen.
Am meisten hat mich die Bibliothek gefreut: überall Erker, teilweise mit Kaminen, in die man sich zum Lesen und Kontemplieren zurückziehen kann.
Bei aller Kritik: Der Garten ist ein Traum! Auch wieder eher großspurig, aber ich hatte Glück, dass ich noch die Ausläufer des Tulpenfestivals mitbekommen habe. Überall blühte es bunt und wunderbar.
Ich muss zugeben, dass ich dieses ganzen Prunks irgendwann müde wurde. Obwohl überall Porträts und persönliche Photos der Dukes of Norfolk und Familie herumhängen bzw. stehen (meist zusammen in royalen Kreisen), fehlte mir der menschliche Touch.





