Tag elf

Unter weiter geht’s. Obwohl ich langsam wirklich sehr müde bin. Diese vielen aufregenden Besuche in wunderschönen Häusern, sie zehren an meinen Energiereserven….
Aber, ich bin ja aus einem Grund hier. Also ging’s heute zum Petworth House.

Petworth House: Stattliches Anwesen mit genügend Auslauf für Hunde, Pferde, Hirsche und was sonst noch rennen möchte.

Auch dieses Haus stellte mich vor die Herausforderung zu verstehen, wer eigentlich wer ist bzw. wie die Verhältnisse sind, wer wann welcher Earl/Duke von welcher Gegend, warum und überhaupt war bzw. ist. Und hier hatte ich unglaubliches Glück: Als ich nämlich so vor mich hinkontemplierend durch die Räume zog, sprach mich auf einmal jemand an: Ob es sein kann, dass wir uns kennen? Hm. Eher unwahrscheinlich. Ich kenne in Großbritannien nicht so wahnsinnig viele Menschen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich einem von ihnen ausgerechnet in Petworth House über den Weg laufe, geht gegen null.
Es stellte sich aber heraus, dass das eine der Volunteers war, die ich am Dienstag in Stansted Park kennengelernt hatte und mit der ich mich lange in der Bibliothek unterhalten habe. Das war ein freudiges Hallo! Also machten wir dort weiter, wo wir aufgehört hatten und ich versuchte, so viel wie möglich über das Petworth House (bzw. die komplexen Besitz- und Dukeverhältnisse) in Erfahrung zu bringen. Da sie selbst noch nicht so lange in Petworth House war, holte sie einen Kollegen dazu, der uns beiden die lange und komplexe Geschichte derer zu Northumberland auseinanderklamüserte. Ich will das hier nicht in die Länge ziehen, daher glaubt mir einfach, wenn ich Euch sage, dass sie sehr viel einfacher ist als die der Dukes von Norfolk (s. Beitrag Tag zehn), aber immer noch komplex genug, um Seiten zu füllen.
Wie auch immer. Petworth House ist vor allem wegen der Gemälde und Statuen bekannt, die Elizabeth Percy, die der direkten Duke-of-Northumberland-Linie auf Grund ihres Geschlechts unabsichtlich den Gnadenstoß gab, zusammen mit ihrem Gatten, Charles Seymour, 6th Duke of Somerset, ansammelte und dort ausstellte.
Eine Begegnung der wunderbaren Art hatte ich mit diesem Gemälde: (Bitte beachtet auch die delikate Schnitzarbeit rund um die Gemälde. Der gesamte Raum besteht aus solchen Schnitzereien.)

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Queen Henrietta Maria mit dem Hofzwerg Sir Jeffrey Hudson. Mit diesem Gemälde beschäftigte ich mich lange und eingehend im Rahmen meiner Masterarbeit. Dass ich es einmal Iive und in Farbe sehen würde, habe ich nicht gedacht.
Er. Henry VIII., stehend und den Teppich zerknitternd (diese Tatsache hat irgendeine kunsthistorische Bedeutung, ich konnte aber nicht herausfinden, welche.)
Auch er. Charles I (der einzige britische König, der verurteilt und ordentlich - im Gegensatz zu hinterlistig - und auf richterlichen Beschluss hin ermordet wurde) reitend
Das Treppenhaus. Hinter der Tür links geht's zur Wohnung des momentanen Dukes. Ich weiß gar nicht, wie ich mich fühlen würde, wenn ständig Leute in meiner Wohnung herumlaufen würden....


Auch der Garten von Petworth House war vollkommen entzückend. Standen gestern in Arundel Castle Tulpen im Vordergrund, so waren es heute Narzissen:

Jetzt habe ich noch eine Frage: Weiß jemand, was dies hier für ein Baum ist?

🥳 Fun fact: (na ja, auch nicht so. Eher absurd.)
Weil sein Cousin Thomas Percy zu einem der Verschwörer des Gunpowder Plots gehörte, wurde der neunte Earl of Northumberland vorsichtshalber gefangengenommen und in den Tower gesperrt. Das war aber gar nicht so gräßlich, da er einen ganzen Turm für sich hatte, immerhin 20 seiner Bediensteten behalten durfte, eine Bibliothek errichtete und weiterhin Freunde traf. Seine Tochter, deren Heirat mit einem Schotten er verhindern wollte, musste eine zeitlang auch bei ihm im Tower leben.