09 Apr. Tag neun
Der Tag begann mit Matsch. Ich bin ja hier sehr ländlich, also fahren viele Traktoren umher. Bei meiner Fahrt heute morgen hatte ich ein besonderes Riesenexemplar vor mir. Ein sehr schnelles Riesenexemplar. Ein schnelles Riesenexemplar, das während seiner Reise Matschklöße großzügig verteilte. Es platschte auf die Scheibe meines Autos, dass es eine Freunde war (nicht). Dach, Motorhaube, alles wurde mit herzhaften Platschern bedacht. Überholen war keine Option (wir erinnern uns, die Mariannengräben schränken die Mobilität auf den Straßen ein), auch Abstand halten half nichts. Musste dann erstmal zur nächsten Tankstelle und in die Waschanlage. Die weitere Fahrt verlief dann ohne weitere Vorkommnisse.
Heute ging’s nach Stansted Park (nein, nicht zum Flughafen).
Wie alle Gebäude, die ich bisher besucht habe, hat es eine ziemlich wechselvolle Geschichte. Im 13. Jahrhundert wurde zum ersten Mal ein wie auch immer geartetes Gebäude an diesem Ort erwähnt, das im Zuge des Civil War zerstört wurde. Wenig später, Ende des 17. Jahrhunderts neu erbaut, Besitzer mehrere Male gewechselt, 1903 abgebrannt, aufgebaut und vom Earl of Bessborough gekauft. Denen es heute noch gehört.
Das Anwesen ist ein wenig verwirrend, vor allem, weil ein riesiger Gartencenter angeschlossen ist und die Hinweisschilder für mich nicht allzusehr verständlich waren. Jedenfalls stand ich, Historie und Kultur suchend, unversehens inmitten von Blumentöpfen und Pflanzen, vor mir hingen Sommerkleider. Nichts davon wollte ich kaufen.
Nachdem ich das Haus endlich gefunden hatte, stellte ich fest, dass ich zu früh da war. Wie gut, dass es einen riesigen, professionellen Charme ausstrahlenden Tea Room gab, in dem ich mich aufwärmen konnte (es windet ständig und ist grauenerregend kalt). Überhaupt haben sich heute mindestens fünf Leute für das Wetter entschuldigt, das mir als Touristin geboten wird (dabei hatte ich mich überhaupt nicht beklagt).
Das Haus war ein wirkliches Juwel! Obwohl ich aufgrund des Windes fast die Eingangstür und ein dahinterstehendes Relikt kaputtgemacht hätte (😱) , wurde ich wohlwollend empfangen. Die ‚Aufpasser:innen‘ waren geradezu bezaubernd und mit vollem Einsatz und viel Liebe zum Objekt dabei. Ich konnte mich lange mit verschiedenen Leuten zur Geschichte unterhalten, gemeinsam fanden wir dann tatsächlich noch die Antwort auf eine Namensfrage und persönliche Verquickung von Personen und insgesamt habe ich dort einen tollen Nachmittag verbracht (als ich ein zweites Mal in die Kapelle gegangen bin, weil ich vor lauter Reden vergessen hatte, Photos zu machen, war die diensthabende Frau ganz entzückt, und wir verabschiedeten uns nach meiner getanen Photographiererei sehr herzlich.)
Jedenfalls habe ich beschlossen, dass ich UNBEDINGT eine Bibliothek haben muss. Meinetwegen auch erst, wenn ich groß bin.

🥳 Fun fact: (nur bedingt lustig)
Dieser Teppich (links) wurde aus dem Feuer gerettet und, eingerollt, in der Hektik zusammen mit sechs ähnlichen Teppichen auf den Rasen vor dem Haus hingelegt. Einige der Bediensteten räumten auf, nachdem das Feuer gelöscht war, nahmen die Teppiche, die eingerollt wie gewöhnliche Teppiche aussahen, mit. Irgendwie (zwinker, zwinker) fanden sie (Teppiche, nicht Bedienstete) ihren Weg zu Sotheby’s nach London.
Als die damaligen Eigentümer das herausfanden, wollten sie die Stücke zurückhaben. Da sie aber nicht nachweisen konnten, dass die Teppiche ihnen tatsächlich gehörten (die hingen seit dem 17. Jahrhundert im Gebäude, die Rechnungen hatte keiner aufbewahrt), glaubte ihnen niemand. Also mussten sie ihr eigenes Eigentum zurückkaufen, hatten aber nur Geld für drei Teppiche.



