04 Apr. Tag vier
Ach, was war das heute aufregend!
Heute ging’s nämlich rüber. So richtig. Davor aber: Tanken. Was mir den ersten Schock des Tages bescherte. Warum? Siehe Photo:

Danach ging’s weiter zum Terminal von LeShuttle (allein der Name ist so putzig). Ist alles super professionell gelöst, mit vielen Biegungen und Kurven, über die man erst zum Check-In und dann sanft und sicher zur Grenze geführt wird.
Die britische Grenzbeamtin war sehr kritisch. Warum ich nach Großbritannien wolle? Warum so lange? Wo ich überhaupt hinwolle? Und was mein Arbeitgeber dazu sage, dass ich so lange nicht zur Arbeit erschiene. Selten fühlte ich mich schuldiger.
Die Über(Unter)fahrt war unerwartet unspektakulär. Rein ging’s in den Wagon und eine halbe Stunde wieder raus.
Ich weiß ja nicht, was ich genau erwartet hatte, aber ein wenig mehr Pathos schon.
Schließlich befanden wir uns mit der Ausfahrt auf einer Insel mit ungewohntem Linksverkehr. Wäre da nicht ein wenig mehr…nun, Brimborium und Tamtam zu erwarten gewesen? Rote Teppiche, Fanfaren…sowas eben? Aber Fehlanzeige.
Man wurde im Zug noch gewarnt, dass man sich ab jetzt bitte links zu halten habe. Bei der Ausfahrt mahnten noch zwei weitere Schilder, und dann wurde man auch schon ohne weitere Einführung auf den britischen Linksverkehr losgelassen.
Bis jetzt ist es gut gegangen. Ich glaube, weil ich weiterhin links sitze und nicht diese Verwirrung hinzukommt, auf einmal eine andere Optik auf den Verkehr zu haben.
Da ich einen früheren als den eigentlich gebuchten Zug nehmen konnte, war ich viel zu früh in Großbritannien, um mein Apartment zu beziehen, und machte deshalb kurzentschlossen einen Umweg über Canterbury bzw. die dort ansässige Cathedral.
Was war das für eine gute Idee! Nicht nur, dass das Zentrum von Canterbury (oder das, von dem ich denke, dass es das Zentrum ist) unglaublich niedlich ist (alte, niedrige Fachwerkhäuser), die Kathedrale ist überwältigend. Geschichte, überall Geschichte!
Herrje, was habe ich gehört und gelernt….an dieser Stelle keine Einzelheiten. Bis auf drei Sachen:
- Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury, wurde hier nach Aufforderung Henry II von vier Rittern seines halben Kopfes entledigt und dadurch recht schnell gern besuchter Heiliger und Märtyrer.
300 Jahre später, als Henry VIII die Idee hatte, die Kirche zu entmachten und sich derer Besitztümer anzunehmen, machte dieser dem lustigen Treiben des Schreintourismus (der der Kirche übrigens eine schöne Stange Geld einbrachte) ein Ende und ließ den Schrein und alles, was mit Becket zu tun hatte, verschwinden.
- Henry IV, ein großer Fan von Becket, inklusive seiner (Henrys) Gattin sind hier bestattet (sonst findet man königliches Geblüt eher in der Westminster Abbey oder in Windsor)
- Ebenso wie Edward of Woodstock, the Black Prince… Held des Hundertjährigen Kriegs, der zu früh gestorben ist (merke: ständige Kriegszüge können der Gesundheit abträglich sein!), so dass sein Sohn Richard als Zehnjähriger 1377 auf den Thron kam. Der wiederum wurde 1399 abgesetzt und 1400 für immer beseitigt, sodass sich sein Cousin Henry IV sich als König versuchen konnte.
Ach, es war eine einzige Freude – eine Freude, die sich mit dem Anflug eines five o’clock teas noch vergrößerte.
Sehr beseelt machte ich mich auf die knapp zweistündige Fahrt zu meiner Bleibe, was auch gut ging. Die Straßen durch die schicke countryside überforderten mich das ein oder andere Mal. Einige Schlaglöcher entpuppten sich nämlich als die Übermütter der Schlaglöcher. Ach, was sage ich: als Mariannengräben!
Meine kleine Wohnung ist sehr niedlich, sehr im jwd und fast warm.
🥳 Fun fact:
Margaret Holland, Frau von John Beaufort, einem Sohn von John of Gaunt (also wichtig, da Neffe von Edward, the Black Prince und Cousin von Henry IV und Richard II), ist in der Canterbury Cathedral bestattet. Der Ort, an dem sie ihr Grab aufschlagen wollte, gefiel ihr architektonisch nicht so ganz. Also ließ sie umdekorieren und -bauen. Der Erzbischof, der dort schon lag (tot) befindet sich seitdem mit dem Oberkörper in der Kathedrale, während der Rest von ihm außerhalb des Gebäudes liegt.







